Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung

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Ein Aufenthalt auf der Intensivstation kommt meist plötzlich und unerwartet. Trotzdem auf wichtige Fragen vorbereitet zu sein, hilft im Ernstfall.

Viele Krankheiten mehren sich im Alter, manche auch bei jüngeren Menschen.
Uner­wartet in einen Unfall verwickelt zu sein, trifft auch Jüngere. Die rechnen aber meist – wie ihre Angehörigen – nicht damit, sich plötzlich auf der Intensivstation ­wiederzu­finden. Doch was, wenn doch?

„Auf der Intensivstation sind Angehörige verständlicherweise meist schon mit der ­Situation an sich überfordert“, sagt Ruth Gröger, Chefärztin der Abteilung für ­Anäs­thesie und Intensivmedizin der Kliniken des Landkreises Neustadt a. d. Aisch - Bad Windsheim. Die geliebte Mutter, der Vater, der Sohn, die Tochter ­liegen da, an ­Schläuche und Maschinen angeschlossen, regungslos, können nicht mehr ­sprechen, ihren Wunsch nicht mehr selbst äußern. Das zu ­verkraften ist schwer. Aber die Ärzte benötigen genau jetzt Entschei­dungen: Sollen wir beatmen? Einen ­Luft­­röh­ren­schnitt vornehmen? Ist eine Dialyse er­wünscht? Könnte Ihr Sohn, ihr Vater mit einer Ampu­tation leben? Ratlosigkeit.

Ratlosigkeit auf der Intensivstation

Viele wissen nicht, was sie antworten ­sollen. Wie sollen sie entscheiden, wenn der Mann, die Frau, der Sohn, die Tochter droht, ein Pflegefall zu werden, nicht mehr autonom, nicht mehr eigenständig leben kann? Künstliche Ernährung? Gewollt oder nicht gewollt?

Mit welchen Fragen also sollte ich mich immer mal wieder beschäftigen? Möchte ich im Notfall wiederbelebt werden?

Eine Wiederbelebung oder auch Reani­mation ist dann notwendig, wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen. Innerhalb von wenigen Minuten nach einem Herzstillstand können Schäden im Gehirn auftreten, weil das Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird. Eine rasche Wiederbelebung kann nicht nur das Überleben sichern, sondern auch die Gefahr anhaltender Schäden verringern. Doch nicht in jedem Fall ist eine Wiederbelebung erwünscht.

Was passiert bei einer ­Wiederbelebung?

Zunächst wird ein Ersthelfer versuchen, durch eine Herzdruckmassage die Pumpfunktion des Herzens zu übernehmen, bis der Rettungsdienst eintrifft. (Wie das geht, sehen Sie im Video: ­Einfach QR-­Code scannen). Ggf. wird auch ein Defibrillator zur Hilfe eingesetzt. Dabei werden der in Not geratenen Person gezielte Stromstöße versetzt. Diese können Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern und Kammerflattern oder ventrikuläre Tachykardien beenden. Defibrillatoren werden auf Intensivstationen, in Operations­sälen, in Notaufnahmen sowie in Fahrzeugen des Rettungsdienstes bereitgehalten. Zunehmend sind diese auch in öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Bahnhöfen, Flughäfen etc. für eine Anwendung durch medizinische Laien bereitgestellt.

In einer Patientenverfügung lässt sich regeln, ob und in welchen Situationen eine Wiederbelebung gewünscht ist. Manche Menschen möchten in der unmittelbaren Sterbephase darauf verzichten, sie aber bei Unfällen oder einem plötzlichen Stillstand des Herzens zum Beispiel während eines medizinischen Eingriffs in Anspruch nehmen. Auch zeitliche Begrenzungen können angegeben werden. Zum Beispiel, dass die Reanimation nicht länger als 30 Minuten dauern oder abgebrochen werden sollte, wenn unumkehrbare neuronale Schädigungen zu erwarten sind.

Wie stehe ich zu künstlicher ­Ernährung?

Bei der künstlichen Ernährung werden einem Menschen, der nicht ausreichend essen kann, darf oder will, Nahrungsmittel zugeführt. Dies geschieht entweder mit­hilfe einer Sonde (Kunststoffschlauch). Dadurch kommen die Nährstoffe direkt im Magen an. Eine weitere Möglichkeit der künstlichen Ernährung ist es, per Infusionen die notwendigen Nährstoffe ins Blutsystem zu bringen. Weil es hier rechtliche Grenzen für Ärzte gibt, ist es in diesem Punkt besonders wichtig, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Künstliche Ernährung kann das Leben verlängern, andererseits stellt das Einbringen der ­Sonde oder eines Venen­­katheters eine Körperverletzung dar, in die ein Patient oder sein Bevollmächtigter einwilligen müssen.

Gerade am Lebensende eines Menschen kann künstliche Ernährung auch eine zusätzliche Belastung sein. Der Appetit nimmt ­stetig ab, ein Hungergefühl wie bei Gesunden tritt nicht mehr auf. Jemanden dann künstlich zu ernähren, ist nicht nur unnötig, sondern möglicherweise belas­tend, denn es kann zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen und Flüssigkeitseinlagerungen im Gewebe führen. Der Körper ist nicht mehr fähig, die aufgenommene Nahrung zu verarbeiten.

Andererseits kann nach einer Operation eines sonst noch weitestgehend fitten älteren Menschen künstliche Ernährung für eine gewisse Zeit notwendig sein. Übergangsweise, und nach einer Weile kann der Betroffene wieder eigenständig essen und trinken. Wer künstliche Ernährung grund­sätzlich ablehnt, den dürfen Ärzte auch in solchen Fällen nicht künstlich ernähren. Es ist also wichtig, sich gründlich mit dem ­Thema zu beschäftigen und ­An­ge­hörigen seine Wünsche mitzuteilen.

Würde ich mich künstlich beatmen lassen?

Auch das Thema künstliche Beatmung ist für viele schwer mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Künstliche Beatmung bedeutet, dass ich, wenn ich selbst nicht mehr oder nicht mehr ausreichend in der Lage bin, eigenständig zu atmen, Unterstützung dabei erhalte. Dies kann nicht-invasiv durch eine Sauerstoffmaske oder einen Beatmungshelm erfolgen oder invasiv durch einen Schlauch, der in die Luftröhre eingeführt wird (Endotracheal­tubus bzw. Trachelkanüle). Eine Beatmung kann kurzfristig notwendig sein und hinterher ist wieder eigenständiges Atmen möglich. Sie kann aber auch langfristig erforderlich werden. Unter welchen Umständen eine Beatmung akzeptiert und gewollt ist und in welchen Situationen nicht, auch darüber sollte man sich bereits im ­Vorfeld mit seinen Angehörigen Gedanken machen und diese äußern.

Was bedeutet ein Luftröhrenschnitt (Tracheotomie)?

Bei einer Tracheotomie/einem Luftröhrenschnitt wird eine Beatmungs-Kanüle direkt in die Luftröhre platziert, damit der Patient leichter Luft bekommt. Der Weg beim Ein­atmen ist kürzer, somit fällt es leichter, Luft zu bekommen. Vor allem Patienten, die über längere Zeit künstlich beatmet wurden, haben damit die Chance, wieder eigenständiges Atmen zu lernen. Inzwischen erfolgt eine solche Tracheotomie zumeist nicht mehr durch einen Schnitt sondern über eine Punktion. Der Vorteil der Punktion ist unter anderem, dass diese nach Entfernen der Kanüle, wenn wieder eine eigenständige Atmung möglich ist, nach einiger Zeit wieder selbständig verheilt und nicht wie der Luftröhrenschnitt chirurgisch zugenäht werden muss. Eine Narbe bleibt sichtbar. „Ein Luftröhrenschnitt klingt erstmal abschreckend und ist Angst behaftet“, weiß Ruth Gröger, „kann aber sehr hilfreich dabei sein, nach langer Beatmung wieder selbst zu atmen. Der Weg von der Luftröhre ist kürzer als vom Mund oder der Nase“.

Wäre ich damit einverstanden, dauerhaft auf eine Dialyse ­angewiesen zu sein?

Während ein Luftröhrenschnitt nach einer Weile wieder verheilen kann, ist eine Dia­lyse oft ein dauerhaftes Dilemma. Die Blutwäsche (Dialyse) ist dann notwendig, wenn die Niere nicht mehr oder nicht mehr richtig funktioniert. Ein solches Nierenversagen tritt häufig im Rahmen von schweren All­gemeinerkrankungen auf und ist nicht selten nur vorübergehend. Aber gerade bei vorbestehenden Nierenschäden kann der Verlust der Nierenfunktion dauerhaft sein. Die Dialyse kann eine lebensverlängernde Maßnahme sein, es sollte jedoch jeder für sich entscheiden, ob er damit leben möchte, mehrmals in der Woche zur Dialyse zu gehen. Dabei wird in zwei bis drei Sitzungen über mehrere Stunden das Blut über Geräte gewaschen und die Schadstoffe werden aus dem Blut entfernt. Die Folge ist eine große Erschöpfung. „Jede Dialyse ist etwa ein so großer Kraftakt wie ein zurückgelegter Marathon. Sie sitzen hinterher nur noch auf dem Sofa vorm Fernseher und können ansonsten nicht mehr viel machen“, beschreibt die Ärztin. Allerdings ist auch hier zu unterscheiden zwischen Therapiemaßnahmen, die lang­fristig, gegebenenfalls auch bis zum Lebensende notwendig sind, und einer kurzfristig notwendigen Dialyse.

Was ist der Unterschied zwischen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht?

Die aufgeführten Fragen und ihre Erläuterungen sollen eine Diskussionsgrundlage bilden, worüber jeder einmal mit seinen Angehörigen sprechen sollte, denn leider werden diese wichtigen Themen oft verdrängt und eben nicht im Kreise der Angehörigen offen angesprochen. Was hat es denn aber mit den oft auch im Internet ausdruckbaren Dokumenten und Formularen in Bezug auf Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht auf sich? Was ist der Unterschied?

Mit einer ausgefüllten Patientenverfügung kann ich festlegen, welche Therapieformen und Maßnahmen ich unter ­welchen Umständen befürworte. Dazu gibt es ausfüllbare Dokumente zum ­Beispiel hier:

https://www.stmgp.bayern.de/meine-themen/fuer-patienten/

Das Erstellen einer Patientenverfügung hält Ruth Gröger für wichtig und absolut sinnvoll. Ein simples Ausfüllen einer Patientenverfügung wie sie als Vordruck im Internet zu finden ist, aber nicht, da die Vordrucke oft zu allgemein gehalten sind. Diese können aus ihrer Sicht sehr gut als Vorlage dienen und als Diskussionsgrundlage. Wichtig sei es, stimmt Oberärztin Dr. Annette Krämer zu, verantwortliche anästhesiologische Oberärztin auf der Intensivstation der Klinik Neustadt a. d. Aisch, mit engen Angehörigen und Vertrauten darüber zu sprechen, was in welcher Situation gewünscht ist. Die Angaben in einer Patientenverfügung sind begrenzt. Hier kann ich zum Beispiel fest­legen, ob ich künstlich ernährt werden möchte oder nicht. „Viele“, so Annette ­Krämer, „stellen sich unter ‚künstlicher Ernährung‘ vor, dass sie in einem Pflegeheim nur noch im Bett liegen, sich nicht mehr eigenständig bewegen oder aus­drücken können und lehnen diese deshalb ab. Es gebe aber durchaus Situationen, in denen zeitweise eine künstliche Ernährung notwendig ist, beispielsweise für zwei Wochen, und der Patient danach wieder in ein Leben mit guter Lebensqualität zurückkehren und auch wieder eigenständig essen und trinken kann. Da zu differenzieren, ist in einem Vordruck einer Patientenverfügung – mit begrenztem Platz – schwierig.

Die Intensivmedizinerin Krämer findet ­deshalb das ausführliche Gespräch mit Angehörigen und Vertrauten so wichtig. Hier kann ich sehr detailliert beschreiben, in welchen Situationen ich wie entscheiden würde – was Angehörigen im Ernstfall eine gewisse Sicherheit gibt, im Sinne des Erkrankten oder Verletzten zu handeln, denn es sind die Angehörigen, die zu den Wünschen des Patienten in diesen Punkten von den Ärzten gefragt werden.

Ebenfalls sinnvoll ist es, eine Person des Vertrauens, die weiß, welche Behandlungen man sich wünschen würde und welche nicht, mit einer Vorsorgevollmacht aus­zustatten. Eine Vorsorgevollmacht erlaubt der darin festgelegten Person, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufga­ben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Mit der Vorsorgevollmacht wird der Bevollmächtigte zum Vertreter im Willen, das heißt, er entscheidet an Stelle des Vollmachtgebers. Sie setzt unbedingtes und uneingeschränktes Vertrauen zum Bevollmächtigten voraus.

Das heißt: Wenn ich selbst nicht mehr dazu in der Lage bin, darf dieser Mensch für mich entscheiden. Eine Kopie hilft hier allerdings nicht. „Wir brauchen das Original“, sagt Ruth Gröger und erinnert sich an Situatio­nen, in denen in einer Notsituation im Haus des Intensivpatienten erst nach den Un­­terlagen gesucht werden musste. Diesen Stress kann man sich ersparen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, mit meinen Angehörigen über diese ­Themen zu sprechen? Erst im Alter? Bei schwerer Krankheit?

„Jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt – aktiv oder passiv – sollte sich mal mit den Themen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung beschäftigt haben“, rät die In­­tensivmedizinerin auf die Frage nach dem ­richtigen Zeitpunkt. Ab wann man solche Themen klären sollte? „Sobald man darüber nachdenkt.“

„Viele denken, ,ach‘, dafür habe ich noch Zeit‘“, spricht Ruth Gröger aus jahrelanger Erfahrung auf der Intensivstation. „Und von jetzt auf gleich finden sie sich in einer Situation wieder, die nicht planbar ist.“ Frühzeitig Gespräche mit Angehörigen zu führen, was man möchte, was man nicht möchte, dabei nichts tabuisieren, sei wichtig – und zwar so früh wie möglich. „Es ist für Angehörige auf der Intensivstation sehr belastend, wenn Sie Entscheidungen für einen geliebten Menschen treffen müssen und nicht wissen, was er oder sie gewollt hätte.“ Ratsam ist es auch, etwas in der Tasche zu ­tragen, aus dem hervorgeht, dass man eine Patientenverfügung hat, empfiehlt die Intensivmedizinerin.

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Wertvolle Tipps zu den Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht bietet das bayerische Staatsministerium auf seiner Website. Dort wird in einer umfassenden Broschüre über ganz grundsätzliche Fragen für einen Krankheitsfall oder Unfall informiert. Die Broschüre kann heruntergeladen oder bestellt werden. Sie enthält Formular-­Vordrucke, die als Orientierung dienen ­können, und regt zum Beschäftigen mit wesentlichen Fragen an:

https://www.stmgp.bayern.de/meine-themen/fuer-patienten/

Weitere Infos zur Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin der Kliniken des Landkreises Neustadt a. d. Aisch - Bad Windsheim finden Sie hier:

https://www.kliniken-nea.de/medizin-pflege/klinik-neustadt-a-d-aisch/anaesthesie-intensivmedizin/

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Klinik Neustadt a. d. Aisch
Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin
Ruth Gröger, Chefärztin
Paracelsusstraße 30-36
91413 Neustadt a. d. Aisch
Tel.: 09161 70-0
ruth.groeger@kliniken-nea.de

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